Ironman Frankfurt 2018


„Na, wie ist’s gelaufen?“ lautete die erste WhatsApp Nachricht auf meinem Handy, nach meinem diesjährigen Ironman Frankfurt Finish. Es waren insgesamt 10 Nachrichten und mehrere Anrufe seit dem Überqueren der Ziellinie eingegangen. Ich stellte fest, daß ich keinerlei Motivation hatte, die Nachrichten zu lesen, geschweige denn sie zu beantworten. Auf Antworten würden nur weitere Fragen folgen. Auch telefonieren wollte ich jetzt mit niemandem. Dazu war ich einfach zu müde. Anderseits war ich froh, dass es Menschen in meinem Umfeld gab, die sich wirklich für mich und meine sportlichen Herausforderungen interessierten. 
#40yearsofdreams - 40 Jahre Ironman

Also rappelte ich mich mit einem Glas Wein im Hotelzimmer auf und begann meine Nachrichten zu lesen und zu beantworten. Wie ich befürchtet hatte, wurde prompt geantwortet und weitere Fragen gestellt. Irgendwann zwischen Nachricht vier und fünf und Instagram-Beitrag Nummer 3 bin ich dann wohl doch vor Erschöpfung eingeschlafen. Sorry falls die eine oder andere Antwort ausblieb. Ich hoffe der kleine Bericht beantwortet eure Fragen.

Neben dem Pflegen sozialer Kontakte in einem fast schon komatösen Zustand, setzte ich mich automatisch und zwangsläufig noch einmal mit meinem Wettkampf auseinander, indem ich die Fragen per WhatsApp / Instagram beantwortete. Vorweg, ich hatte mein persönliches Ziel, unter 10h zu finishen, nicht erreicht.

Was sich kurz nach dem Wettkampf noch ein wenig nach Niederlage angefühlt hatte, wandelte sich mit dem Aufarbeiten der Ereignisse in Stolz und mündete schließlich in neue Motivation.

Die Tage vor einem solchen Wettkampf sind i.d.R. immer etwas hektischer als gewöhnlich, da ich mich geistig schon irgendwo auf der Wettkampfstrecke befinde, während ich Packlisten schreibe und letzte Besorgungen mache.

Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen war eine leichte Erkältung, die mich plagte.

Am Freitag fuhr ich um 8:00h von Hagen nach Frankfurt ins Hotel, dass sich in unmittelbarer Nähe zum Mainufer befand. Die Innenstadt mit dem Römerplatz, die Messe mit der Athletenregistrierung waren bequem zu Fuß erreichbar. Wie sich herausstellte, gab es bei der Wettkampfbesprechung eine Verzögerung beim Aufbau und so fand der Auftakt zum diesjährigen Ironman mit 90minütiger Verspätung statt. Um die Zeit zu überbrücken, feilte ich an meinem Hipster-Style und besuchte einen Barber Shop. Die gibt es mittlerweile an jeder Straßenecke.
Wettkampfbesprechung am Römer mit etwas Verzögerung, weil laut Veranstalter die Videoleinwand nicht rechtzeitig geliefert wurde. Am Renntag war jedoch alles komplett aufgebaut. Da hatten die Monteure wohl eine Extraschicht einlegen müssen.


Die Wettkampfbesprechung unterschied sich inhaltlich nicht sonderlich von den Jahren zuvor. Es gab kein neues Reglement, die Radstrecke war heuer 5km länger, aufgrund einer Baustelle. Meiner Meinung nach braucht man einfach längere Strecken für immer mehr Athleten. Laut Veranstalter waren es dieses Jahr 3.000 Teilnehmer. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es jemals so viele waren.  Neu war, daß bestimmte Stellen im Innenstadtbereich durch LKWs gesichert waren.

Der Bike Check-in am Langener Waldsee verlief auch ohne große Aufregung und wir (meine Freundin war mittlerweile auch eingetroffen)  verbrachten den Nachmittag am Strand mit einem ausgiebigen Sonnenbad und ruhten uns aus.
Noch ist es ruhig in der Wechselzone. Ein paar Stunden später wird hier hektisches Treiben herrschen.

Der Langener Waldsee lädt zum Sonnenbaden und Planschen ein.


Am Abend gingen wir ins Vapiano, wo ich mir eine doppelte Portion Spaghetti mit Tomatensauce bestellte. Im Hotel gings dann früh ins Bettchen.

Der Wecker klingelte um 3:50h. Ein Ironman muss eben schon sehr früh raus aus den Federn. Gleich ums Eck fuhren die Shuttlebusse ab. Meine Begleitung schmuggelte ich heimlich an einem gefährlich aussehenden, tätowierten Security vorbei, der uns anschnauzte: „ATHLETES ONLY!“, „ATHLETES ONLY!“

Es war still auf der Hinfahrt. Der Bus rollte sanft über den Asphalt der zum Teil schon gesperrten Autobahn. Blicke schweiften müde und träge umher, während es draußen von Minute zu Minute heller wurde. Iso-Getränke wurden geschlürft und noch die ein oder andere Banane geschält.

05:20h: Ankunft in der Wechselzone. Reges Treiben, Umarmungen, Küsschen, Glückwünsche, untermalt mit aufgeregtem Gelächter. In vielen Gesichtern konnte ich Anspannung sehen. Am Rad überprüfte ich noch einmal den Reifendruck, kontrollierte meinen Wechselbeutel mit Helm, Brille und Schuhen. Danach brachte ich meine Getränke am Rad an.
Ich hatte wie in den Jahren zuvor eine Trinkflasche mit 10 Gels und Wasser vorbereitet, die mich hauptsächlich während des Radfahrens mit Energie versorgen sollte. Das Gel kannte ich aus den Jahren zuvor und in einigen Trainingseinheiten hatte ich es bereits vorher erfolgreich getestet. In meiner Radtasche befanden sich 10 Salztabletten, je Stunde 2 Stück sowie drei vegane Riegel, falls ich Lust auf etwas Handfestes bekam. Ich war als gut gerüstet für die 185 Kilometer.  

Pünktlich um 06:30h starteten die Profis. Den Start verfolgte ich direkt am Ufer. Es war sehr beeindruckend in diese angespannten und fokussierten Gesichter zu blicken, sowohl bei den Herren als auch bei den Damen.
Ab 06:40h begann der Rolling Start der Altersklassen-Athleten. Ich kletterte einfach über eine Absperrung und begab mit zu den Starten mit Schwimmzeit 1:00h – 1:10h. Die „Waschmaschine“ gehört leider der Vergangenheit an. Statt Massenstart lautet die Devise jetzt Massentauglichkeit. Damit geht für mich leider ein wenig Abenteuer und Charakter des IRONMAN verloren. Bin gespannt, wann in Hawaii ebenfalls der Rolling Start eingeführt wird und sich die Athleten auf dem Ali‘i Drive in einer Schlange anstellen. 
Nach 1:03h aus den Fluten des Langener Waldsees.
Etwas verstimmt, da ich gleich 2x die Orientierung im Wasser verloren hatte. 


Die erste Schwimmrunde mit 1,5 km in Richtung Yachthafen verlief nach Plan und machte richtig Spaß. Ich fand schnell meinen eigenen Rhythmus und gab Gas. Nach einem kurzen Landgang auf der zweiten 2,3km langen Schwimmrunde passierte es. Ich gab Vollgas und irgendwann blickte ich auf und da war kein Schwimmfeld mehr. Ich war in die falsche Richtung geschwommen und weit ab vom Kurs. Mist! Die Schwimmer befanden sich geschätzte 100M zu meiner linken und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis ich wieder auf Kurs war. Also mit höchster Konzentration jetzt am Ball bleiben, dachte ich mir und hing mich an einen Schwimmer vor mir, der genau mein Tempo machte. Aber was war das. Seit der letzten Boje waren keine Schwimmer mehr außer meine Vordermann aufgetaucht. Mist! Schon wieder in die falsche Richtung. Wir hatten eine Boje übersehen und waren zu früh wieder in Richtung Ufer aufgebrochen. Also wieder kehrt und zurück zur nächsten Wendeboje. Ich war sauer, dass mir ein solcher Fehler unterlaufen war. Mit 01:03h im Gepäck verließ ich den Langener Waldsee. Es wäre locker eine Zeit < 1h drin gewesen.

In der Wechselzone ließ ich mir mit ca. 5min etwas mehr Zeit als sonst und bereitete mich bewusst auf das Radfahren vor. Die Beine fühlten sich gut an. Die Minuten, die ich beim Schwimmen eingebüßt hatte, konnte ich wieder einfahren, dachte ich. Die ersten Kilometer auf der Stadtautobahn ins Zentrum von Frankfurt waren ein absolutes Highlight. Die Skyline erhob sich am Horizont und die Straßen waren gesäumt mit Zuschauern, die uns anfeuerten.

Und dann, nach ca. 15 km auf dem Rad ging es los. Ich bekam ein leichtes Drücken in der Magengegend, das ich aber noch ignorieren konnte. Alle 20 Min. wollte ich einen guten Schluck aus meiner speziellen Flasche mit den Gels nehmen, so der Plan. Spätestens nach der ersten Stunde auf dem Rad, am Hühnerberg wusste ich, dass ich ein Problem hatte. Mein Magen zwickte. Es schien am Gel zu liegen. Hoffentlich werden die Schmerzen nicht schlimmer, waren meine Sorgen.
Am Hühnerberg auf der ersten Runde. 


Die erste Runde verging relativ schnell. Der Heartbreak-Hill und die Stimmung dort waren die ganze Anstrengung wert. Auf der zweiten Runde meldete sich mein Magen immer stärker. Ich versuchte alternativ eine Banane zu essen. Schmeckte nicht wirklich und als ich versuchte einen Riegel zu knabbern, hätte ich mich beinahe übergeben. Ich konzentrierte mich darauf genügend Iso und Wasser abwechseln zu trinken und auf die Gels zu verzichten.

Ab Friedberg, dem nördlichsten Teil der Radstrecke bekam ich schließlich vor Magenkrämpfen überhaupt keine Kraft mehr aufs Pedal. Ich nutzte jeden abschüssigen Teilabschnitt um nur noch zu rollen. Wenn ich mir eine Flasche ISO an der Versorgungsstelle reichen ließ, machte ich nur ganz kleine Schlucke, da ich spürte wie mein Magen bei größeren Mengen rebellierte. 
Im Wiegetritt auf der ersten Runde den Heartbreak-Hill hinauf.


Als ich das zweite Mal den Heartbreak-Hill im schwerfälligen Wiegetritt hinaufächzte und kaum noch Leute auf der Strecke da waren, bekam ich Zweifel ob ich den bevorstehenden Marathon in diesem Zustand überhaupt noch bewältigen können würde. Oben angekommen sagte ich mir, dass sehe ich, wenn ich da bin. Die letzten zehn Kilometer nach Frankfurt zogen sich ewig. Ich wurde immer wieder überholt. Mit meiner Motivation stand es nicht zum Besten.

In der Wechselzone setzte ich mich kurz auf die Bank und wechselte meine Socken und zog meine Laufschuhe in aller Seelenruhe an. Ich wollte so lange wie möglich verschnaufen und meinen Magen beruhigen.

Nach ca. 6min hatte ich mir ein Herz gefasst! Aufgeben war keine Option! Magenschmerzen, schwere Beine, Hitze… zur Not gehe ich die Distanz. Wäre schließlich nicht das erste Mal. Ich warf meinen Wechselbeutel hinter die dafür vorgesehene Absperrung und lief so locker wie möglich los.

Nach ca. 150 Metern hörte ich auf einmal meinen Namen. „ALEX“ „ALEX“ „ALEX“ Und da stand meine Familie und feuert mich an. Ich blieb kurz stehen und umarmte sie alle. Ich berichtete, dass es mir nicht so gut ginge aber das ich auf jeden Fall versuche wolle zu finishen. Und dann lief ich auch schon weiter. Da war sie wieder, meine Motivation. Meine Lebensgefährtin begrüßte mich ebenfalls auf den ersten Kilometern und wünschte mir viel Erfolg! Das tat gut! 
Am Main entlang - erste Runde, die Magenschmerzen machen eine Pause.


An der ersten Versorgungsstelle ließ ich mir Eis und Salz und Cola reichen und lief zunächst noch locker dem ersten Wendepunkt entgegen. Ich wollte meiner ursprünglichen Strategie treu bleiben und die ersten 5 Km locker joggen bevor ich mein eigentliches Renntempo anschlug. Mein Magen zwickte immer noch aber nicht mehr so schlimm.

Ab Kilometer 5 versuchte ich mein geplantes Tempo zu laufen ohne zu überhitzen. Es lief ganz passabel. Wird zwar keine Bestzeit dachte ich, aber trotzdem würde ich zügig vorankommen.

Die Runden verflogen. Ich freute mich auf jeder Runde meine Familie zu treffen. Das spornte mich zusätzlich an.

Nach 03:45h für den Marathon bog ich nach insgesamt 10:45h auf den Römer ein. Ich war mit meiner Zeit nicht zufrieden. Trotzdem empfand ich Stolz, mich wieder einmal selbst überwunden zu haben.
Finishline am Römer! Spektakulär!


Im Ziel empfing mich meine ganze Familie und wir feierten gemeinsam meine Leistung. Ich bin sehr dankbar und glücklich darüber, dass ich so ein tolles Umfeld habe und ich diesen grandiosen Sport ausüben darf.

Jetzt Samstagabend spiele ich mit den Gedanken mich für 2019 wieder in Frankfurt anzumelden.

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