Ein lange geplantes Projekt
sollte sich letztes Wochenende endlich mit zweijähriger Verspätung
verwirklichen. Ich hatte bereits vor vier Jahren mit den Vorbereitungen für den
Double Ultra Triathlon begonnen. Konnte aber wegen eines Unfalls, bei dem ich meinen
linken Ellbogen in viele Einzelteile zerlegt hatte, 2015 in Emsdetten nicht
antreten.
Double Ultra Triathlon,
dass bedeutet 7.6km Schwimmen, 360km Radfahren und 84,4km Laufen - und ich
meine nicht das Wochenpensum eines ambitionierten Triathleten sondern die
Distanz eines einzigen Rennens. Insgesamt also 452km
Wir reisten am Freitag den
09.06.2017 in Richtung Norden und schlugen unsere Zelte im Örtchen Greven unweit
von Emsdetten auf. Für das nächstes Mal, sowie allen Ersttätern empfehle ich
den Campingplatz direkt am Veranstaltungsort. Alleine schon wegen der An- und
Abfahrt. Natürlich nur wer Campen möchte.
Vor
der Eröffnungsfeier und der Wettkampfbesprechung führten wir noch
eine erste Streckenbesichtigung durch. Schnell war an der
Blumenstraße ein passender Platz für Crew und Pavillion gefunden.
Man muss sich auf der 360km langen Radstrecke selbst versorgen. Am besten
gelingt das mit einer eigenen Crew, welche die Versorgung mit Gel's,
Riegeln, Semmeln, Cola, etc. übernimmt. Mein Team bestand aus meinen
Eltern, die beide ebenfalls dem Triathlon verfallen sind und meiner
Nichte. Wir arbeiten daran sie mit dem Triathlonvirus zu infizieren,
außerdem sind gerade Ferien in Bayern.
Der Pavillion steht - gerade noch rechtzeitig |
Die
Eröffnungsfeier mit anschließender Pasta-Party war schon das erste
Highlight. Kurz nach 18:00h betraten die EMS-Highlander mit
schottischen Klängen und die vielen freiwilligen Helfer die Bühne
und präsentierten die Nationalflaggen der Teilnehmer. Es waren
insgesamt 68 Teilnehmer aus 17 Nationen gemeldet.
Klassenfoto Double Ultra Triathlon 2017 |
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Danach
wuden wir Athleten einzeln vorgestellt und für ein Gruppenfoto
ebenfalls auf die Bühne gebeten. Bei der anschließenden Pasta-Party
war meine vegane Ernährung erfreulicher Weise kein Problem für das
Catering-Personal. Ich bekam Nudeln (ohne Käse-Sauce) und viel
gegrilltes Gemüse. Dafür einen fetten Pluspunkt vorab.
Einer
kurzen Nacht folgte ein noch kürzerer Morgen. Statt Kaffe gab es
Adrenalin, statt Müsli eine Portion Aufregung. Um kurz nach sechs
richtete ich meine Versorgungsstelle an der Blumenstraße ein und
begab mich um kurz vor sieben ins Waldfreibad Emsdetten wo 152 Bahnen
á 50Meter also 7,6km zu schwimmen waren.
Pünktlich
um 07:00h fiel der Startschuss! 59 Athleten waren letztendlich
angetreten und stürzten sich in die Fluten des Waldfreibads und
wühlten das 24°C warme Wasser auf. 7,6km hatte ich im Training
bisher noch nie am Stück zurückgelegt und entsprechend
zurückhaltend ging ich die ersten Meter an. Mit zunehmendem
Wassergefühl stieg mein Selbstvertrauen und ich drückte etwas auf
Gas. Aber nur sehr zart, da ich auf keinen Fall wertvolle Körner
verpulvern wollte. Ich hatte gehörigen Respekt vor dem Radfahren.
Nach
02:18:26h stieg ich gut gelaunt über die tolle Zeit aus dem Wasser.
Ich fühlte mich noch frisch und munter als ich in die Wechselzone
lief. Wechselzeiten, bzw. Zeiten generell spielten bei meiner ersten
Teilnahme keine Rolle. Solange es sich nicht um CutOff Zeiten
handelte war alles gut :) und deshalb ließ ich mir beim Wechseln
auf's Rad entsprechend Zeit.
Ab geht's auf die Radstrecke |
Es
galt nun 76 Rund á 4.739,36km auf dem Rad zurückzulegen. Ich fühlte
mich während des gesamten Radfahrens sehr gut. Fuhr für meine
Verhältnisse nie in den sog. roten Bereich, bei dem Laktat in der
Muskulatur produziert wird, sondern versuchte mich auf ein lockeres
Kurbeln zu konzentrieren. Meine Familie am Streckenrand half mir über
ein paar kleine Tiefs problemlos hinweg und versorgte mich mit
leckeren Brötchen mit veganem Aufstrich, Obst, Riegeln, Gels und
Cola.
Die Versorgung klappt tadellos |
Als
sich meine Radrunden nach 13:33h dem Ende entgegen neigten war es ca.
23:00h und dunkel. Der Pavillion wurde auf die Laufstrecke verlegt
und mit bunten Lampignons beleuchtet. Und ich machte die bisher
einmalige Erfahrung einen Wettkampf über Nacht zu bestreiten.
Die Laufstrecke bei Nacht |
Eine
Laufrunde betrug 1.414,49 Meter. Das ganze mal 60 und man kommt auf
84,4km. Ich hatte zwar während des Radfahrens mit geschwollenen
Füßen zu kämpfen aber beim Laufen fühlte ich mich plötzlich
wieder sehr frisch und voller Tatendrang. Der richtige Kampf sollte
erst noch kommen. Zwischenzeitlich stellte Robert Karas aus Polen
einen neuen Weltrekord auf. Er beendete das Rennen nach 19:44:45h um
ca. 02:45h.
Um
ca. 3:00h morgens bekam ich plötzlich das starkte Verlangen nach
Kaffee. Ich fühlte mich zwar nicht sonderlich müde, dennoch bildete
ich mir ein, eine Tasse Kaffee wäre jetzt genau das Richtige. Der
Kaffee bekam mir leider überhaupt nicht und ich musste mehrere
Pausen einlegen. Der Schweiß strömte aus jeder Pore und ich war
klatschnass. Dann wurde mir sehr kalt und ich musste mir schnell mit
zitternden Händen etwas wärmers anziehen. Gesagt getan. Brachte nur
leider nicht viel, außer dass sich das neue T-Shirt und die neue
Laufhose sehr eng anfühlten und mich einzuschnüren schienen. Also
wieder Klamotten wechseln. Jetzt etwas Bequemes. Lief sich gleich
viel besser.
Noch
bevor sich die Sonne wieder zeigte, vermeldten die Vögel dass der
neue Tag bald anbricht. Noch war ich gut dabei und zählte fleißig
meine Runden. Meine Eltern schliefen abwechselnd. Manchnmal hielt ich
gar nicht an, sondern drehte einfach still meine Runden durch die
Nacht.
Endlich
Sonnenaufgang... endlich? Die Sonne hatte schon zur frühen Stunde
enorme Power und es wurde mir von Minute zu Minute wärmer. Langsam
meldeten sich auch meine Beine. Gels, Cola, Riegel und Bananen
schmeckten schon lange nicht mehr. Der Wettkampf hatte sich engültig
zur Strapaze gemausert.
Von
durchgängigem Laufen war schon lange nicht mehr zu sprechen. Was ich
noch zustande brachte war ein mäßiges Joggen, unterbrochen von
Gehpausen. Bodenwellen waren plötzlich Berge, die ich erklimmen
musste. Meine Fußsohlen brannten. Fühlte sich an als würde ich auf
Messern oder glühenden Kohlen laufen. Doch die falschen Laufschuhe
gewählt? Oder war es einfach zu viel? Noch 20 Runden, noch 18
Runden, noch 16 Runden... die Stunden vergingen, die Erschöpfung
verging nicht.
Nach
59 Runden wartet noch ein besonderes Highlight: Landesflagge und Crew
durften mich auf der letzten Laufrunde begleiten. Die Athleten
gratulierten sich auf der Laufstrecke gegenseitig, man sprach sich
Mut zu, "Ist ja nicht mehr weit.", "Bald geschafft!"
Ein tolles Gefühl! Geschafft! Ich konnte etwas von der Erschöpfung
und der Müdigkeit abschütteln, die mich die letzten Stunden im
Griff hatte.
Endlich
im Ziel. Applaus. Glückwünsche, Händeschütteln, Medaille,
Finisher T-Shirt. Ich hatte genug damit zu tun nicht umzufallen. "Du
sieht ja noch richtig fit aus." wurde ich begrüsst. Äußerlich
mochte das stimmen, auch wenn ich es nicht so recht glauben wollte.
Innerlich fühlte ich mich sehr erschöpft und ausgelaugt. Fragen
wurden gestellt, Antworten kamen mechanisch. Kann mich nicht daran
erinnern was ich sagte. Muss gut gewesen sein weil alle lachten und
sich freuten. Endorphine eben.
Der
Stolz über die erbrachte Leistung kam erst später. Noch realisierte
ich wenig. War zu müde, konnte mich noch nicht richtig freuen. Meine
Gedanken waren: „duschen und schlafen“. Sehr lange schlafen ohne
gestört zu werden. Da tat es auch eine Luftmatraze auf dem
Parkplatz.
Als
ich das erste mal von Ultra Distanzen im Triathlon hörte, war ich
skeptisch, beeindruckt und hatte viele Fragen. Wer ist in der Lage
solche Distanzen zu bewältigen? Handelt es sich hierbei um Menschen
oder Besucher aus einer anderen Dimension mit stark abweichenden
physikalischen Gesetzen, die sich mit uns Erdlingen einen kleinen
Spaß erlauben? Schlichtweg konnte ich mir nicht vorstellen wie man
sich mental und physisch in die Lage versetzen kann, diese
Entfernungen und die definitv damit verbundenen Strapazen zu
überstehen und zu meistern.
Ähnliche
Fragen hatte ich auch vor meinem ersten Marathon und vor meiner
ersten Langdistanz 2007 in Roth. Im Laufe der Jahre bekam ich viele
Antworten auf meine Fragen. Die Kernbotschaft war und ist jedoch
immer identisch: Alles ist möglich!
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