Gerade fühlt sich mein Leben wie ein Traum an. Ich sitze am Mittwoch Morgen um 10h mit einem Venti-Kaffee mit Sojamilch bei Starbucks. Vor mir steht mein Laptop, auf dem ich diesen Blog verfasse und wenn ich aus dem Fenster des ersten Stock blicke, kann ich die Menschen beim Einkaufen in der Nürnberger Innenstadt beobachten. Aus den Lautsprechern an der Decke klingen leise Electrobeats. Den Mega-Herpes von der Tasse Kaffee sollte ich erst am nächsten Tag bekommen. Aber das spielt im Moment keine große Rolle. Entspannt gehe ich die letzten Tage im Geiste
durch und versuche mich an so viele Details wie möglich zu erinnern. Kurz vorweg,
ich bin so stolz auf das Geleistete, wie schon lange nicht mehr. Ich habe viele neue Menschen in Emsdetten kennengelernt und ich durfte wieder Teil einer ganz besonderen Gemeinschaft sein.
Alle zusammen glücklich im Ziel! |
Der übliche Familientross setze sich am Freitag
um 7:00h von Nürnberg mit dem Ziel Emsdetten in Bewegung. Es lagen ca. sechs Stunden Autofahrt vor uns. Vor zwei Jahren waren wir bereits am
Donnerstag in den Norden gestartet. Bei meiner Teilnahme 2017 startete ich noch
als Team Iloxx und schaffte den Double Ultra Triathlon in 27:25:37h und landete
auf dem 19. Platz (Schwimmen: 02:18:26h / Radfahren: 13:33:19h / Laufen:
11:33:53h). Ich war schon sehr gespannt, wie ich mich dieses mal schlagen würde.
Die Wochen vor Emsdetten waren beruflich anspruchsvoll
und es war schon eine regelrechte Kunst, alle wichtigen Trainingseinheiten in
meinem vollen Kalender unterzubringen. Trotzdem fühlte ich mich für den
Wettkampf gut gerüstet. Entscheidend sind nicht die Tage unmittelbar vor
einem Wettkampf, sondern die Wochen und
Monate davor. Das beinhaltet nicht nur Trainingseinheiten, sondern
erstreckt sich ebenso auf Ernährungs- und Schlafgewohnheiten. In meinem
konkreten Fall hieß das ausreichend Schlafen, keinen Alkohol,
viel Rohkost (seit vier Jahren ernähre ich mich nun vegan - diese
Ernährungsform hat meine sportliche Leistungsfähigkeit und mein körperliches Befinden überhaupt nicht
beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich durch die vegane Lebensweise leistungsfähiger, fitter und wacher als mit zwanzig)
Am
frühen Vormittag kamen wir nach einer ruhigen und störungsfreien Fahrt in der
Blumenstraße an, wo uns Verena herzlich begrüßte und uns gleich
unseren Platz für Campingbus und Zelt zeigte. Wir begannen gleich damit einen
geeigneten Versorgungsspot an der Radstrecke zu suchen, wo wir den Pavillon aufstellen konnten. Für die Versorgung beim Schwimmen und Radfahren
ist man selbst verantwortlich. Nur auf
der Laufstrecke gibt es einen offiziellen Versorgungspunkt vom Veranstalter.
Im
Athletendorf selbst traf ich alte und auch neue Bekannte, die ich vor zwei
Jahren schon in Emsdetten getroffen hatte. Auch Bernhard Nuss "der eiserne
Franke" war wieder mit am Start.
Zurückgekehrt
von der Auftaktveranstaltung und dem Abendessen erwartete mich im Zelt eine
kleine Enttäuschung. Eigentlich wollte ich mich mit einer Tasse Tee
zurückziehen und den Abend ruhig ausklingen lassen, stattdessen durfte ich noch
einmal das hintere Laufrad wegen einem Platten auswechseln.
Nach
einer etwas unbequemen Nacht im Zelt begann der Wettkampftag entspannt um 5:30h
für mein Team und mich. In 14 Tagen in Frankfurt wird die Nacht wesentlich
früher Enden, weil der Schwimmstart nicht gleich um die Ecke liegt.
Unmittelbar vor dem Startschuss im Waldbad Emsdetten |
Kurz
vor sieben Uhr fand ich mich im Schwimmbad ein, platzierte mein Fahrrad und
begab mich ca. 3min vor dem Startschuss ins Wasser. Ich begrüßte meine Kollegen in
Schwimmbahn Nummer 7 und hielt mich aus der Diskussion, wer nun zuerst
losschwimmt raus. Ich wollte erst einmal das Tempo der anderen abwarten, bevor
ich mir von vornherein irgendwelchen unnötigen Druck aufbaute.
Nach
der zehnten Bahn begann ich langsam die Schwimmer vor mir zu überholen. Es lief wie geschmiert
im Wasser.
Welcher Krimi draußen am Beckenrand ablief, ahnte ich zu dieser Zeit
noch nicht. Irgendwann erschien mein Vater am Beckenrand und sagte mir, dass
ich auf dem zweiten Platz lag. "Ja schon klar." dachte ich mir. Doch als er mir später noch einmal sagte, der führende Andreas Six läge nur Sekunden vor mir, dämmerte es mir langsam und ich begriff, dass ich momentan wirklich weit vorne lag. War das gut oder schlecht? Hatte ich im
Wasser schon überpaced? Ich fühlte mich sehr gut und von Überpacen oder vielen
verschossenen Körnern konnte keine Rede sein.
Sollte
ich langsamer machen? Das kam überhaupt nicht in Frage. Der Bahnrichter zeigte
mir schließlich das 100 Meter Schild und rief mir zu "2. Platz!" Ich
konnte es kaum glauben. 😀
Wo liegt mein Wechselbeutel? |
Als
ich aus dem Wasser stieg, donnerte Applaus über mich hinweg. Schwimmzeit 02:07:57h. Entspannt wechselte ich auf's Rad.
Es galt nun
82 Runden a 4.412,80m zu fahren. Die Strecke war vom Veranstalter angepasst worden.
Sie ließ sich nun bedeutend besser als vor 2 Jahren fahren.
Die
Versorgung mit Getränken und Essen funktionierte wunderbar. Alle 20min trank
ich etwas und alle 10 Runden machte ich eine kurze Pause an der
Versorgungsstelle, wo ich mir ebenfalls etwas zu Essen gönnte. Besonders bekömmlich
waren Datteln, Bananen und Brote mir veganem Aufstrich. Pro Stunde
gab es zusätzlich ein Gel. Auf Cola verzichtete ich während des Radfahrens
komplett. Auch Kaffee ließ ich links liegen.
Trotz
des Regens und des böigen Winds kam ich gut voran. Den Wind kannte ich aus dem
Training zu genüge und so störte er mich nicht sehr.
An
dieser Stelle möchte ich den zwei Damen am Knotenpunkt, wo die Radfahrer in die Blumenstraße ein- und ausfahren, ein Kompliment machen. Sie haben sich stundenlang die Hände wundgeklatscht und die Athleten angefeuert. Ich wollte mich sehr
gerne bei den beiden Damen persönlich bedanken, hatte den
"Schichtwechsel" aber leider nicht mitbekommen und sie verpasst.
Generell möchte ich mich aber bei allen Helfern bedanken, die in ihrer Freizeit
uns Athleten ein solches Event ermöglichen, denn ohne ihren Einsatz gäbe es keinen Wettkampf.
Irgendwann
war ich in meinem Flow; Kurven wurden zu alten Bekannten.
Nachmittags und Abends wurde das Wetter allmählich besser. Gegen 22h nach 13:09:53 war das
Radfahren für mich beendet. Ich hatte meine Zeit auch wie beim Schwimmen
verbessert und zwar um ganze 24min.
Als
ich mich auf die Laufstrecke begab, wurde es bereits dunkel. Ich
startete mit lockerem Joggen und war schon nach wenigen Minuten komplett
durchgeschwitzt. Hitze- und Kälteschübe wechselten sich ab. Mein Körper hatte
Probleme sich der neuen Belastung anzupassen. Nach zwei Runden wechselte ich
mein Laufshirt nur um nach zwei weiteren Runden ein weiteres frisches Shirt
anzuziehen. Ich verlor zunehmend Flüssigkeit durch sehr starkes Schwitzen und
wusste nicht, wie ich das in den Griff
bekommen konnte. Ich ruhte mich ein wenig aus. Das half, aber auch nur
bedingt. Sobald ich länger im Campingstuhl saß, spürte ich wie mein
Körper in den Schlafmodus schaltete. Ich beschloss mich nicht mehr hinzusetzen
und auch kein weiteres Shirt zu wechseln. Der Bestand wurde sowieso knapp. Ich würde es eben einfach durchstehen müssen und so lief ich
schwitzend weiter und siehe da, langsam, von Runde zu Runde wurde es besser. Am
Versorgungsstand ließ ich mir eine Cola geben und die wirkte ziemlich gut. Der
Zucker gab mir neue Energie und beflügelte mich.
Ich
hatte ab der Hälfte der Laufstrecke ein sehr gutes Gefühl und endlich meinen
Rhythmus gefunden.
Lauf-Shirt No 3. |
Ab
Runde 45 flog ich nur noch dahin. Alle zwei Runden trank ich einen Becher Cola. Ein Blick in den Himmel verriet
mir dass die Nacht bald vorbei sein würde. Das spornte mich weiter an. Auf den
letzten 10 Runden bekam ich die Info, dass ich auf dem vierten Platz lag. Ein
weiterer Motivationsschub, der mir noch einmal Energie auf den letzten
Kilometern gab.
Letzte Laufrunde mit Begleitung |
Die
letzte Runde war auch wie vor zwei Jahren ein Highlight. Mein Team begleitete
mich auf der letzten Runde mit Deutschlandfahne.
Nach 25:18:58h bekam ich als erster Deutscher auf dem 4. Gesamtplatz, im Ziel überglücklich meine Medaille und mein Finisher-Shirt überreicht.Danach gab's es noch eine kurze Massage meiner müden Muskeln, bevor ich erschöpft auf meiner Campingliege einschlief. Ab und zu wachte ich auf, wenn ein weiterer Athlet die Ziellinie überquerte. Dann freute ich mich für den Kollegen und schlief mit einem Lächeln wieder ein.
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